lichtung
lichtung44, dreiteilig, 241 cm x 390 cm, 2008, Gallery Ars Agenda, Munich
Die Lichtung
Mitten im Wald liegt eine unerwartete Lichtung, die nur von dem gefunden werden kann, der sich verlaufen hat.
(...) Tomas Tranströmer
Auszug Eröffnungsrede zur Ausstellung „flair - Decalcagen“ von Georg Gaigl am 12.03.2010, ars agenda, München
Dr. Karin Dohrmann
… denn der Gedanke ist kurzlebig, das Bild ist absolut. Andreij Tarkovskij
Diese Erkenntnis von Andreij Tarkovskij, die du als Statement für deinen Katalog gewählt hast, mag uns im Zeitalter kurzlebiger Bilder und rasender Gedanken geradezu historisch anmuten. Unsere heutigen Medien sind ja regelrechte Teilchenbeschleuniger von Bildern und doch sind es gerade diese Medien, die Georg Gaigl als Ideenwelt für seine Kunst
dienen. Dabei können Sie in dieser „Werkschau“ erkennen, welchen Weg Georg Gaigl in den letzten 10 Jahren beschritten hat.
Georg Gaigl ist, solange ich ihn kenne, ein Wanderer zwischen zwei künstlerischen Welten, die er in einer beeindruckenden Weise für seine Kunst einsetzt. Da ist auf der einen Seite der klassische Künstler, der das gängige Rüstzeug - die klassische Bildkomposition, eine malerische Farbauffassung und Handarbeit im wahren Sinne des Wortes zur Herstellung
seiner Werke einsetzt. Und auf der anderen Seite der moderne Künstler, der ganz zeitgemäß Computer, Plotter und Bild- und Bearbeitungsprogramme für seine Kunst nutzt. In dieser Ausstellung werden sie feststellen, welch unterschiedliche Empfindungen die diversen Kombinationen seiner Techniken erzeugen.
Auf dem kleinformatigen Bild „o.T.“ von 2000 kann man noch deutlich erkennen, dass Georg Gaigl in einer klassischen Collage-Technik, Risse aus Magazinen und Zeitungen als Grundlagen für seine Bildkompositionen nutzt. Die farbigen Ausschnitte der Magazine legen dabei die Basis für das abstrakte Farbwerk, während die Worte der Zeitungsausschnitte den Betrachter für eigene Assoziationen sensibilisieren. Die Zeitung von gestern wirkt dabei wie ein Relikt einer vergangen Kultur, der Betrachter wird zum Archäologen und auf die Entdeckungsreise seiner eigenen Vergangenheit geschickt, da das Bild als Initialzünder individuelle Erinnerungen aufsteigen lässt.
(...)
Und die Entwicklung geht ja auch immer weiter – hin in Richtung rein digitaler Kunst.
So konstatierte zur Milleniumswende der Kunsttheoretiker Julian Stallabrass in seinem Werk
„Internet Art: the online Clash of Culture and Commerce 2000“, dass eines der Paradoxa zeitgenössischer Kunstproduktion sei, dass sie bereits dematerialisiert ist. Dass sie genau betrachtet nur noch aus Daten besteht und sich erst auf einem Monitor wieder materialisiert. Und da immer mehr Leute große Bildschirme in ihren Wohnungen hängen habe, die wie leere Gemälderahmen nach Füllung lechzen, wird sich die Nachfrage nach hochauflösenden
Dateien von Gemälden und Fotografien erhöhen. Aber nicht nur nach statischen, sondern auch nach bewegten Bildern. Und auch in diesem Bereich ist Georg Gaigl ein Künstler unserer Zeit, denn parallel zu seinem „malerischen Werken“ hat er sich auch in der Videokunst kreativ ausgelebt. Schnelle Bilder, die verbunden mit Musik oder gesprochenen Text, Kunst nicht nur zu einem visuellen, sondern auch zu einem ganzkörperlichen Erlebnis machen. Und das ist letztendlich auch das Ziel von Georg Gaigl, „das Erlebnis zählt“. Das damit verbundene Gefühl von der Faszination des Augenblicks, der einem in guter Erinnerung bleibt.
Und so möchte ich Sie auffordern sich für die Faszination des Augenblicks zu öffnen, auf das die Erlebnisse, die Sie mit dieser Ausstellung machen, in guter Erinnerung bleiben!
Repro/Fotografien: Julia Schambeck